CSD-SPECIAL - Karl Heinrich Ulrichs

"Karl, du bist nicht wie die anderen Jungen..."
wj Oldenburg. Wenn sich Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle am heutigen Sonnabend beim „Christopher Street Day“ (CSD) Nordwest in Oldenburg wieder ein Stelldichein geben, mag deren buntes Treiben für manch' Außenstehenden wie Karneval anmuten. Eigentlich ist es aber ein Gedenktag mit politischem Hintergrund und soll an die Ursprünge der modernen Schwulen- und Lesbenbewegung erinnern. Ein wichtiger Vorkämpfer dieser Bewegung - manche sagen sogar, der erste Schwulen-Aktivist überhaupt - war der Jurist, Gelehrte und Journalist Karl Heinrich Ulrichs, der 1825 in Aurich geboren wurde.

Ulrichs verbrachte seine Kindheit in Westerfeld, das heute zum Auricher Ortsteil Kirchdorf gehört. Das erste Mal bewusst wurde ihm seine Homosexualität, als er sich noch vor seinem zehnten Lebensjahr auf dem Auricher Gymnasium in einen älteren Mitschüler verliebte. Obwohl die beiden keine Liaison eingingen, merkte Mutter Elise bald, dass was im Busch war. „Karl, du bist nicht wie die anderen Jungen“, soll sie des Öfteren seufzend festgestellt haben. Von 1844 bis 1846 studierte Ulrichs in Göttingen Jura und Theologie, danach bis 1848 in Berlin Geschichte.

Die fachliche Kompetenz des Ostfriesen stand von Beginn an außer Frage. Bereits für seine Studienarbeiten in Göttingen erhielt er besondere Auszeichnungen. Später galt er als einer der führenden und besten Lateinkenner seiner Zeit. Wenn ihm eine große Karriere verwehrt blieb, lag dies nicht zuletzt an seinem ausgesprochen lockeren Umgang mit der eigenen Homosexualität. Ulrichs machte schon früh keinen Hehl daraus, dass er schwul war. Als Gerichtsassessor in Hildesheim drohte ihm daraufhin ein Strafverfahren. Der Vorwurf lautete, seine „widernatürliche Wollust mit anderen Männern“ würde „öffentliches Aergerniß erregen“. Der Beschuldigte kam dem Rausschmiss zuvor, indem er von sich aus den Staatsdienst quittierte und sich 1856 in Burgdorf bei Hannover als Anwalt niederließ. Aufgrund weiterer Ermittlungen von vorgesetzter Dienststelle wurde er 1859 mit einem Berufsverbot belegt und musste sich als Journalist, Privatsekretär und Sprachlehrer durchschlagen.
(Emder Zeitung, 18. Juni 2011, kompletter Artikel als PDF-Download)